Handgemacht.

Eine Videoserie über Handwerker*innen


von Avi Sliman

Idee

Handgemacht, Raw Craft, Kunsthandwerk: Drei Begriffe, die trotz – oder gerade wegen – unserer durchdigitalisierten Welt wieder vermehrt auf Aufmerksamkeit und Interesse stossen. Die Wertschätzung für handgemachte, lokale Produkte, für altes Handwerk und traditionelle Techniken wächst in unserer globalisierten, von Arbeitsteilung geprägten Welt. Und doch: Eine Person, die ein Produkt mit eigenen Händen erschafft, die ihr Leben einem Handwerk verschreibt, ist in unserer Dienstleistungsgesellschaft die Ausnahme. Aber Ausnahmeerscheinungen haben eben auch das Potential, Sehnsüchte zu wecken. 

Wahrscheinlich ist diese Sehnsucht eine Reaktion auf die Tatsache, dass sich Vieles in unserer Lebenswelt bloss noch auf Bildschirmen abspielt. Die Sehnsucht nach dem Handwerk, ist auch eine nach Verankerung in der Welt. Der US-amerikanische und britische Soziologe Richard Sennet hat die Bedeutung des «Handwerks» 2008 in seinem gleichnamigen Buch eingehend analysiert. «Wenn Kopf und Hand voneinander getrennt werden, leidet der Kopf», so eine der zentralen Thesen des Buches.

Das Projekt «Handgemacht» porträtiert in einer langfristig angelegten Videoserie Menschen, die sich dem Handwerk verschrieben haben. Ein Paar, das Gitarren baut, ein Korbflechter, ein Imker, ein Metallbauer und weitere Handwerker*innen erzählen davon, was es bedeutet, den Alltag mit der Herstellung einfacher, praktischer Dinge zu verbringen, ohne die unsere Welt ein Stück ärmer wäre.

Ziel des Projektes ist es, unterschiedliche Handwerker*innen bei ihrer Arbeit zu filmen. Dabei entstehen einerseits Porträts interessanter Persönlichkeiten und andererseits eine Dokumentation über das jeweilige Handwerk, seine spezifischen Herausforderungen, Traditionen, Innovationen und Techniken.

Die Entscheidung, ein Handwerk als Beruf auszuüben, spiegelt immer auch eine bestimmte philosophische, ökonomische, teilweise sogar politische Haltung wieder. Sich für ein Handwerk als Beruf zu entscheiden braucht immer auch eine Portion Eigensinn. Menschen, die ein Handwerk ausüben, stehen für Präzision, Liebe zum Detail, Kreativität, Sorge um Tradition, Material und Ressourcen. Und letztendlich auch für eine ästhetisch geprägte Weltsicht.

Herangehensweise

Die Welt eines Menschen zu zeigen braucht Zeit. Die rund 15-minütigen Videos sind keine schnell verfertigten Nachrichten-Porträts. Der Filmemacher Avi Sliman nimmt sich – nach entsprechenden Recherchen und Vorbereitungen – jeweils eine Woche Zeit, um sich den Handwerker*innen anzunähern. Er sagt: «Ich muss mit ihnen Stunden verbringen, um zum eigentlichen Kern der Materie vorzustossen. Es geht darum, dass die Menschen irgendwann gar nicht mehr merken, dass eine Kamera auf sie gerichtet ist.»

Nicht das vorbereitete, auf zehn Standardfragen beschränkte Interview ist also die Technik der Annäherung. Sondern viel mehr eine intuitive, zeitintensive Herangehensweise, bei der stundenlanges Filmmaterial entsteht, das später am Schnittplatz verdichtet wird. Der berühmte US-amerikanische Reporter Gay Talese, bekannt geworden durch seine gross angelegten Porträts bekannter Persönlichkeiten, nannte diese Herangehensweise «the fine art of just hanging around.» 

Avi Sliman beschreibt diese Technik so: «Mit meiner Kamera und dem Schnitt möchte ich objektiv bleiben, die  Geschichten sollen ihren Raum bekommen, und die Personen selber über ihr Leben und ihre Arbeit sprechen. Ich werde mehrere Male zu den Handwerker*innen ins Atelier gehen, sie bei der Arbeit filmen, aber auch auch einfach anwesend sein, mit ihnen diesen Raum teilen und das Interview erst ganz am Schluss führen, wenn wir uns aneinander gewöhnt haben.»

Ein Videoarchiv des Handwerks

Die Idee für «Handgemacht» entstand bereits 2016 nach einem Besuch in Maria Wassenbergs Schreiner- und Restaurationsatelier in Chur. Die dabei entstandene Dokumentation ist ein Beispiel für die geplante Serie: 

Video Maria Wassenberg: https://vimeo.com/166982884

Vorerst ist eine eine Serie von weiteren zehn Videos von je fünfzehn Minuten Länge geplant, die je eine Handwerkerin oder einen Handwerker aus Graubünden und der Schweiz porträtieren. Der Zeitraum zur Herstellung dieser ersten Serie beträgt rund zwei Jahre. 

Ziel des langfristig angelegten Projektes ist es, ein Videoarchiv des Handwerks entstehen zu lassen.

Online und analog

Öffentlich präsentiert werden die Videos einerseits auf den Webseiten des Filmers Avi Sliman, der Webseite des Koproduktionspartners Edition Frida und jener der Handwerker selber.

Zusätzlich wird für Präsentationen im öffentlichen Raum, in Theatern und Ausstellungsräumen des Handwerks eine Installation mit Videoscreen entwickelt. Für die Installation drinnen reicht ein Videoscreen mit Kopfhörern, der an einem ausgewählten Ort platziert wird. Für die Installation draussen wird eine Holz-Box, ähnlich den alten Passbild-Automaten entworfen, in welcher man einzeln die Videos anschauen kann.

Als erster Präsentationspartner wurde das Theater Chur (Saison 2021/22) angefragt. Weitere Partner werden im Verlauf vom Herbst 20 angeschrieben.  

Motivation

Avi Sliman: «Auch ich selbst habe eine grosse Passion für die Arbeit mit den eigenen Händen und bewundere Menschen, die ein Handwerk ausüben. Sie stehen für etwas, was ich selber hätte sein können, aber nicht geworden bin. Als Kind habe ich jedes Spielzeug bis auf die letzte Schraube auseinandergenommen und wieder zusammengefügt. In meiner Freizeit gehe ich diesem Zeitvertreib mit meinen alten BMW-Motorrädern nach, aber mein beruflicher Weg führte mich zu Fotografie und Video. Auch dieser Beruf ist in gewisser Hinsicht ein Handwerk, allerdings ist der Output nicht plastisch. Ich erstelle kein physisches Produkt. Was ich aber kann, ist eine Geschichte erzählen und somit andere Menschen dazu inspirieren, sich auf den Weg zu begeben ihre Träume zu verfolgen. 

Zeitplan/Produktion

Aufnahmen und Schnitt: Januar 2021 bis Herbst/Winter 2022.

Produktion: Avi Sliman Videography & Photography.

Koproduzenten: Edition Frida, Chur und Basel.

Showing der ersten fünf Videos ist für Herbst 2021 im Theater Chur geplant, wo die Videos während der Theater-Saison 2021/22 im Foyer

in einer Installation gezeigt werden. Zudem suchen wir weitere Orte, 

um die Videoinstallation zu zeigen.

Die Filmpremiere der gesamten Videos ist auf Herbst/Winter 2022 geplant.

Als Koproduktionspartner unterstützt der Verlag Edition Frida, mit Sitz in Chur und Büro in Basel, das Fundraising und die Verbreitung des Videoarchivs. https://editionfrida.ch/uber-uns/

Bezug zu Chur/Graubünden

Die Künstler / Handwerker, welche porträtiert werden, arbeiten alle in Chur und Graubünden. Mit der Zusammentragung dieser Geschichten, wird auch der Reichtum und die Vielfalt an Handwerk in dieser Region sichtbar gemacht. Gleichzeitig entsteht eine Art Oral History über diese Menschen.

Biografien 

Avi Sliman (Idee, Konzept, Redaktion, Kamera, Schnitt)
Geboren (1981) und aufgewachsen in Rosch HaAjin, Israel. 2006 Studium der Architektur an der London Metropolitan University. Erste Video- und Fotoprojekte mit diversen Künstlerinnen und Künstlern. 2007 bis 2010 Ausbildung im Fotostudio Migdal Or Postproduction House in Tel Aviv. 2010 bis 2015 Betrieb eines eigenen Foto- und Videostudios in Tel Aviv. Spezialisierung auf Privat-Events, wie Hochzeiten oder Bar Mitzwas und auf Livestreaming von Konzerten. 2015 Heirat mit der Churerin Katharina Balzer. Gründung der Einzelfirma Avi Sliman Videography & Photography in Chur und Zürich. Aufträge für private und gewerbliche Kunden, sowie für diverse Kulturinstitutionen.
Kunden im Kulturbereich: Fabriktheater Rote Fabrik Zürich, Edition Frida, Gessnerallee Zürich, Junges Theater Graubünden Chur, Theater Chur, Bagat-producziun da teater Chur, Engadin Art Talks Zuoz, Biennale Arte Bregaglia, Galerie Luciano Fasciati Chur u.a. Seit 2018 verantwortlich für das Live-Streaming der Konzerte und Head of Video-Technology im Jazz Club Moods in Zürich. Seit 2020 Vorstandsmitglied des Kindertheaters Bagat-producziun da teater in Chur. 2020 Geburt der Tochter Ella Nava.

Katharina Balzer (Administration/Oeil Exterieur)
Geboren (1992) und aufgewachsen in Chur. Nach Matura 2011, ein Semester Jura-Studium an der Universität Zürich. 2012 Praktikum bei Alexandra Bachzetsis mit «Etudes» in Basel. 2013 Sprach- und Kreativaufenthalt in Tel Aviv. 2014 Praktikum im Fabriktheater Rote Fabrik. 2015-2017 Arts Management Studium an der ZHAW in Winterthur. 2015 Managment des Internationalen Zürcher Tanzfestivals YEAH YEAH YEAH. 2015-2018 Produktionsleitung und Tour-Management für diverse Theatergruppen, darunter: Phil Hayes, Tim Zulauf, kraut.produktion, Marisa Godoy, Theater HORA. 2018 Kasse Migros Ilanz. Seit 2019 Assistentin der Kulturfachstelle der Stadt Chur. 2020 Geburt der Tochter Ella Nava.

Brigitte Balzer (Produktionsleitung)
(1965) betreibt in Chur eine Pension für Dauermieter und ein Kulturbüro, das spezialisiert ist auf Administrationen und Produktionsleitungen im Kulturbereich. Seit 1989 Realisation verschiedener Projekte im Gastrobereich: Mitglied der Genossenschaft «Hotel City» in Chur (1989-92), Mobile Restauration bei Komedie Theater Zürich, Tournee «Das Elefant kommt» (1992), Mobile Restauration für Alpodrom Theater (1993 bis 1997), Barbetrieb bei «Alpodrom’s Music Hall» (1995 bis 1997), Mitgründerin «Palace Bar», Chur (1995). Von 1997 bis 2000 Geschäftsleitung derselben. 1992 gründete Brigitte Balzer-Brunold mit Mathias Balzer und Duri Bischoff das Alpodrom Theater (1992 bis 2006). Bei allen Projekten war sie als Co-Geschäftsleiterin und Leiterin der Gastronomie tätig. 1998 erhielt sie mit Mathias Balzer den Förderpreis des Kantons Graubünden. 2000 den Anerkennungspreis der Stadt Chur. Seit 2000 hat sie die Geschäftsleitung des Hotel-/Pensionsbetriebs «Marsoel» in Chur inne. Seit 2011 selbstständige Produktionsleitung und Administration für Theaterproduktionen und -gruppen. Seit 2013 Vorstandsmitglied bei Junges Theater Graubünden (Schweizer Theaterpreis 2016). Seit 2020 Geschäftsleitung desselben.
2018 Gründung der Edition Frida, Chur und Basel (gemeinsam mit Mathias Balzer). Zurzeit tätig für: Junges Theater Graubünden (Geschäftsleitung), Bagat-producziun da teater (Geschäftsleitung.) Edition Frida GmbH (Geschäftsleitung). Brigitte Balzer ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Weitere Informationen unter www.marsoel.ch/brigitte_balzer.

Mathias Balzer (redaktionelle Mitarbeit)
(1967) arbeitet seit März 2017 als Kulturredaktor bei der «bzBasel» und schreibt für die AZ, CHmedia, «Schweiz am Wochenende» und ist als freier Autor und Publizist tätig. Von 2012 bis 2016 leitete er die Kulturredaktion der «Südostschweiz» in Chur. Zuvor war er in verschiedenen Funktionen im Theater- und Veranstaltungsbereich tätig. 1993 gründete er mit Brigitte Balzer und Duri Bischoff das Theater alpodrom (1993-2006). Von 2000 bis 2005 war er Programmleiter im Gast- und Kulturhaus Marsoel in Chur. Anschliessend arbeitete er bis 2009 als Dramaturg und Redaktor am Theater Chur unter der Leitung von Markus Luchsinger und übernahm 2009/10 die interimistische Leitung des Theaters. Ausserdem war er als Produzent und Dramaturg tätig für 400asa, kraut_produktion, Hans Peter Litscher, Duri Bischoff, Achim Lenz, Markus Gerber und das Teatro delle Ariette aus Bologna. Gemeinsam mit Brigitte Balzer-Brunold realisierte er zudem verschiedene performative und installative Arbeiten in der Natur und im urbanen Raum. 2018 Gründung der Edition Frida GmbH in Chur und Basel (gemeinsam mit Brigitte Balzer). Er ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Weitere Informationen unter www.mathiasbalzer.ch.